Da bin ich wieder Euer Gesangbuch
Und heute auch zum letzten Mal. Wir sind nun zusammen am Ende des Buches angekommen bei der Liederkunde und bei den Dichtern und Komponisten. In der Liederkunde kann man darüber nachlesen, wie es überhaupt mit den Liedern angefangen hat und wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte geändert haben. Als Beispiel soll hier das Leben der ersten Dichterin des Protestantismus beschreiben werden: Elisabeth Cruciger (um 1504 1535) Die Lieddichterin Elisabeth Cruciger lebte und arbeitete in einer Zeit, in der die Glaubensbewegung die Lieder und das Singen als Hilfsmittel zur Verkündigung entdeckt hat. Elisabeth wurde in Ostpommern geboren und wurde schon früh ins Kloster Marienbusch bei Treptow an der Rega gebracht. Die Ideen der Reformation gelangten jedoch auch nach Marienbusch. Der Rektor der Stadtschule in Treptow, Johannes Bugenhagen, machte Elisabeth mit dem reformatorischen Gedankengut bekannt. Bugenhagen wurde später ein enger Mitarbeiter von Martin Luther. Elisabeth begann daran zu zweifeln, ob das Kloster der wirkliche Platz war, an dem Gott sie haben wollte und ob das Klosterleben, so wie sie es in Marienbusch erlebte, ein gottwohlgefälliges Leben sei. |
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Nachdem 1521 Bugehaben zu Martin Luther nach Wittenberg übersiedelte, traf Elisabeth eine mutige Entscheidung: Sie wollte das Kloster verlassen. Dieser Entschluss hatte weitreichende Folgen. Als entlaufene Nonne wurde sie von ihrer Umgebung verachtet und von der Familie, die ihre Tochter im Kloster wohl versorgt wähnte, konnte sie keine Unterstützung erwarten. 1522 siedelte sie auch nach Wittenberg, wo sie die Gedanken der Reformation näher kennenlernte. Zudem machte sie die Bekanntschaft mit dem Theologen, späteren Professor und Schlossprediger Caspar Cruciger. 1524 wurden sie von Martin Luther getraut. Auch für Caspar war die Heirat eine mutige Entscheidung und ein klares Bekenntnis zu der kritischen Einstellung der Reformatoren gegenüber dem Klosterleben und dem Zölibat. Es darf davon ausgegangen werden, dass Elisabeth ihrem Ehemann eine ebenbürdige Partnerin war, ähnlich wie Katharina Luther, mit der sie eine enge Freundschaft verband. Elisabeth Cruciger war zeit ihres Lebens an Musik und an geistlichen Liedern interessiert. Eines Morgens, so wird berichtet, erzählte Elisabeth ihrem Mann von einem Traum. Sie hatte geträumt, sie habe auf der Kanzel in der wittenbergischen Kirche gestanden und gepredigt. Eine Frau als Predigerin für die damaligen Verhältnisse ein Ding der Unmöglichkeit! „Damit sind sicher deine Lieder gemeint, die wir alle singen“, war die Antwort von Caspar Cruciger. In der Tat, Elisabeth war eine begnadete Liederdichterin. Und sie nutzte diese Gabe, um so Gottes Wort zu verkündigen.
Bereits um 1524 entstand das bekannte Lied „Herr Christ, der einig Gottes Sohn“. Eine Frau, die geistliche Lieder dichtete und sogar veröffentlichte, war in jener Zeit so außergewöhnlich und unerhört, dass dieses Lied zunächst ohne Namensnennung der Verfasserin abgedruckt wurde. Das Lied steht im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 67 und ist jedes Jahr das Wochenlied für den letzten Sonntag nach Epiphanias. Von diesem Lied sagte eine Generation später, 1571, der Magister Cyrakus Spangenberg: „Hier haben wir einen sehr schönen geistreichen Betpsalm, den ihr billich eure Kindlein und Gesinde sollet lernen und offt singen lassen … Und hat diesen Psalm ein recht fromb Gottesfürchtiges Weib gemacht/ Elisabeth Creutzigerin geheissen … und hat dem doctor martino so wohl gefallen/ dass er ihn selbst hat in sein Gesangbüchlein zu setzen befohlen“. Elisabeth Cruciger starb leider schon sehr früh im Alter von etwa 30 Jahren in Wittenberg.