„Licht in der Dunkelheit“
100 Jahre Elektrizität in Langstadt und Schlierbach – ein später Anschluss der Dörfer

Nun ist sie wieder da, die dunkle Jahreszeit mit kurzen Tagen und langen Nächten. Für uns ist das heute nicht so schlimm, da knipsen wir das Licht an. Es ist schwer sich vorzustellen, wie unsere Vorfahren lebten… In früheren Jahrhunderten gab es nur das Feuer als Wärme- und Lichtquelle. Man saß am Abend im Feuerschein des Kamins oder hatte Kienspäne (harziges Holz, mit Tierfetten getränkt) oder Talglichter. Beides rußte relativ stark, letzteres hatte nur eine kleine Flamme. Kerzen gab es zunächst nur aus Bienenwachs– eine teure Angelegenheit! Man fand sie nur in Kirchen und Schlössern, später auch bei wohlhabenden Bürgern. Erst im 19. Jahrhundert kam es zu erheblichen Verbesserungen: Durch tierische und pflanzliche Fette sowie Kohle – bzw. Erdölspaltprodukte konnten billigere Kerzenwachse hergestellt werden und zwar Paraffin und Stearin, letzteres ist hochwertiger und rußt weniger. Wer nachts noch über die Straße ging, musste eine Laterne mitnehmen –das war Pflicht (selbst bei Vollmond), damit man vom Nachtwächter wahrgenommen werden konnte. Wer keine Laterne hatte, war als Dieb oder Räuber verdächtig.


Langstädter Straßenbeleuchtung
mittels Petroleumlampe
Photo von 1898

Mit der Erfindung der Petroleumlampe wurde die Beleuchtung komfortabler; bei ihr konnte man die Lichtstärke regulieren, je nachdem wie viel man den Docht herausschraubte. Mit Petroleumlampen wurde in Langstadt dann 1890 die erste Straßenbeleuchtung installiert: Ganze zwei Lampen! Sie standen an der Einmündung der Hauptstraße und vor der Kirche. In den Städten wurde schon Jahrzehnte vorher eine Straßenbeleuchtung mit Gaslampen aufgebaut, in Berlin– als erste Stadt in Deutschland –begann man damit bereits 1828! In Frankfurt am Main wurden 1847 die ersten Straßen per Gaslicht erleuchtet, in Offenbach 1848, in Darmstadt 1849 und in Aschaffenburg 1859. Nach den Straßen gab es auch Gaslicht in den Häusern. Doch dann kam die Elektrizität auf und sollte bald dem Gaslicht den Rang ablaufen! Mittels Dampfturbinen gewann die Stadt Darmstadt bereits ab 1888 elektrischen Strom. 1897 fuhr dort die elektrische Straßenbahn – denn der elektrische Motor war inzwischen auch schon in Serienreife! Im gleichen Jahr nahm das EWerk Schaafheim seinen Betrieb auf –und das in Dieburg. Die Dieburger brauchten dafür aber keine Kohlen, sie hatten die Wasserkraft der Gersprenz.


Das Elektrizitätswerk der Stadt Babenhausen (links)
Ab 1920 wurde für den gestiegenen Bedaf Strom der
HEAG zugekauft. Im Gegensatz zu den meisten
örtlichen E-Werken war es lange in Betrieb: bis
31.12.1973. Rund 25 Jahre später wurde die
umweltfreundliche
Strommgewinnung mit Wasserkraft
erneut
aufgenommen.

So war es auch in Babenhausen, wo 1899 die „elektrische Zeit“ anbrach… und damit noch vor Offenbach (1902) und Aschaffenburg (1907). Die Rentabilität der kleinen E-Werke war allerdings gering und die Kapazitäten reichten nicht, um auch Nachbarorte (wie Langstadt) mit Strom zu versorgen. Das mag ein Grund gewesen sein, warum Groß-Umstadt in Sachen Elektrizität so lange zögerte. Inzwischen lieferte Darmstadt schon aus nunmehr zwei E-Werken Strom in Nachbarorte. Als dann 1912 in Darmstadt die HEAG zum Betrieb der Straßenbahn einschließlich der Stromerzeugung gegründet wurde, schloss Groß-Umstadt noch im gleichen Jahr einen Stromliefervertrag. Die Gesellschaft hieß damals noch „Hessische Eisenbahn AG“, später wurde das „E“ in „Elektrizitäts“ umgewandelt. 1913 wurde dann von dem bereits aus Darmstadt mit Strom versorgten Nieder-Ramstadt eine Freileitung nach Groß-Umstadt gebaut. In diesem Zusammenhang erhielten auch weitere Orte wie Habitzheim (ab 1914) elektrische Energie. Das war der Beginn der flächendeckenden Stromversorgung der Region! Durch den 1. Weltkrieg kam der weitere Ausbau ins Stocken. Nach dem Kriege setzte die HEAG systematisch den Ausbau ihres Netzes fort, baute von Groß-Umstadt die Leitung zu einer Ringleitung über Altheim und Ober-Roden weiter bis Darmstadt und schloss von dieser dann die einzelnen Orte an – so auch 1920 Schlierbach und Langstadt. In Langstadt brannte am 22. November 1920 das erste elektrische Licht! Wie überall hatte nicht gleich jedes Gebäude einen Stromanschluss. Die Langstädter Kirche z.B. bekam ihn erst 1926. Rund 30 Jahre wurde in der Kirche der Strom nur zur Beleuchtung benötigt, dann folgten die Windmaschine der Orgel und Motoren für das Glockenläuten, später noch eine Stromheizung und die Läute-Automatik. Und so war es im Grunde auch in den Haushalten: Nach der elektrischen Beleuchtung wollten die Stromlieferanten gerne noch mehr Energie verkaufen. Der neue Slogan war „Elektrizität in jedem Gerät“! Das ist mit der Zeit gelungen. Heute sind wir vom Strom ganz und gar abhängig. Nur noch wenige Menschen rechnen mit dem früher immer mal vorgekommenen Stromausfall (z.B. bei Gewitter) und halten Kerzen oder einen holzgefeuerten „Beistellherd“ bereit. Sie können ja mal alle elektrischen Geräte im Haus zählen. Vergessen Sie auch die mit Batterie oder Akku nicht…

Frank Ludwig Diehl


Werbung für Strom auf einem
kleinen Aluminiumlöffel um
1925 "Elektrizität in jedem Gerät"